Glatirameracetat (Copaxone®, Clift®)

Glatirameracetat (Copaxone®) wurde 2009 zur Behandlung der Erstmanifestation zugelassen. Im Jahr 2018 wurde die Zulassung jedoch aus unklaren Gründen zurückgezogen. Dennoch finden Sie im Folgenden die wesentlchen Informationen zu Glatirameracetat. Für weitere Details können Sie gern auf das Kapitel "Therapie der schubförmigen MS" zurückgreifen.

Wirkungen & Nebenwirkungen im grafischen Ãœberblick 

Schubfreie Patienten

Balken/Grafik folgt


Patienten ohne Zunahme der Behinderung

Es liegen keine aussagekräftigen Studiendaten vor, die einen Effekt von Glatirameracetat auf die Behinderungszunahme zeigen.


Nebenwirkungen


Welche Nebenwirkungen hat Glatirameracetat?

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die ein neues Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo (siehe „Allgemeines zu Wirkungen und Nebenwirkungen von MS-Medikamenten“).

Häufige Nebenwirkungen
In der Tabelle sind Nebenwirkungen aufgeführt, die aus den beiden Zulassungsstudien berichtet wurden und bei mindestens 2% der Patienten auftraten. Angegeben ist die Patientenzahl von 100 Patienten. 

Das sogenannte systemisch inflammatorische Response Syndrom (SIRS) ist eine Kombination aus verschiedenen Beschwerden, wie Gesichtsrötung, Brustenge, Schwitzen, Herzklopfen, Luftnot und Angstgefühle, die einer allergischen Reaktion ähneln. Es ist selbstlimitierend, das heißt, es tritt wenige Minuten nach der Injektion auf und klingt innerhalb von 30 Minuten wieder ab. Komplikationslos. SIRS sind in den Zulassungsstudien bei einzelnen Patienten bis zu 7-mal aufgetreten.

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Durch Glatirameracetat bedingte schwere Nebenwirkungen und Todesfälle traten in den Studien nicht gehäuft auf.

Krebserkrankungen
In der Glatirameracetat-Gruppe traten 0 Krebserkrankungen auf und in der Placebo-Gruppe auch 0, d.h. Krebserkrankungen traten bei Glatirameracetat-Einnahme nicht gehäuft auf.

Infektionen
Infekte traten bei der Therapie mit Glatirameracetat nicht gehäuft auf. Dennoch ist zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Infektionsrisiko erhöhen können. Auch dies kann nur in Langzeitstudien geklärt werden.

Welche neuen Nebenwirkungen wurden nach Abschluss der Zulassungsstudien berichtet?
Neue Nebenwirkungen sind seit der Zulassung nicht bekannt geworden. 

Worauf muss bei der Therapie mit Glatirameracetat geachtet werden?

Unter welchen Umständen sollte Glatirameracetat nicht eingenommen werden bzw. welche Sicherheitsabstände müssen eingehalten werden?
Glatirameracetat sollte nicht eingenommen werden:

- Bei (vorheriger) Einnahme anderer MS Medikamente:

  • Sicherheitsabstand von 4 Wochen bei Einnahme von Teriflunomid (Aubagio®) oder Fingolimod (Gilenya®)
  • Sicherheitsabstand von 6-8 Wochen bei Einnahme von Natalizumab (Tysabri®)
  • Sicherheitsabstand von 3 Monaten bei Einnahme von Mitoxantron
  • Sicherheitsabstand von 6-12 Monaten bei Einnahme von Alemtuzumab (Lemtrada®) oder anderen Antikörpern, die zielgerichtet Immunzellen zerstören

- Bei Einnahme anderer Medikamente, die das Immunsystem beeinträchtigen können

Worauf ist bei Therapiebeginn zu achten?
Weil Glatirameracetat das Immunsystem nicht generell hemmt, sondern nur bestimmte Immunreaktionen, müssen keine besonderen Schutzmaßnahmen wie bspw. Impfungen erfolgen.

Bei Patienten, die bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden (siehe vorangehender Absatz). Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z.B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich.

Was muss während der Therapie kontrolliert werden?
Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) empfiehlt:

Da Glatirameracetat auf das Immunsystem wirkt, sollten alle 3 Monate Blutuntersuchungen erfolgen. Alle 3 Monate sollte außerdem eine neurologische Untersuchung durchgeführt werden, um die Krankheitsentwicklung und den Therapieerfolg zu beobachten.

Glatirameracetat - Häufig gestellte Fragen

Wirkt Glatirameracetat besser oder schlechter als andere MS-Medikamente?
Es gibt Studien, in denen Glatirameracetat direkt mit Interferon-Beta-Präparaten verglichen wurde. Ein Cochrane Review von La Mantia et. al. (2016) fasst verschiedene Studienergebnisse zusammen. Die Autoren stellen fest, dass die zwei Medikamente einen ähnlichen Effekt auf die Schubrate und die Behinderungsentwicklung haben.

Wie lange wird behandelt?
Glatirameracetat wird als Dauertherapie eingesetzt.
Nutzen und Risiko der Einnahme müssen laufend überprüft werden. Ein Abschätzen des Nutzens ist oft frühestens nach einem Jahr möglich. Als Hinweise für eine Wirksamkeit werden allgemeine Schubfreiheit und das Fehlen neuer Herde im MRT angesehen. Deshalb empfiehlt das KKNMS ein Ausgangs-MRT und ein MRT nach 6, 12 und 24 Monaten, um Nutzen und auch mögliche Risiken abzuschätzen.

Schwangerschaft und Stillzeit
Glatirameracetat kann vermutlich in der Schwangerschaft eingenommen werden. In Tierstudien wurden keine schädlichen Konsequenzen für die Nachkommen beobachtet. Die bisherigen Daten mit 20mg/ml Einnahme täglich von Glatirameracetat bei schwangeren Frauen deuten nicht auf einen Schaden für das Kind hin. Bislang liegen aber keine systematischen, große Studien vor. In den USA und UK wird GA auch in der Schwangerschaft verschrieben. Nach 20 Jahren Sammlung von Daten von über 7000 Frauen, die unter GA schwanger wurden, konnte keine erhöhten Risiken für Kind oder Mutter beobachten konnte. Eine Zulassung für GA während der Schwangerschaft in der EU ist beantragt. In Deutschland gilt aber weiterhin, dass aus Vorsichtsgründen eine Anwendung von GA während der Schwangerschaft vermieden werden sollte, es sei denn, dass der Nutzen für die Mutter das Risiko für den Fetus überwiegt.

Es ist möglich, dass GA in die Muttermilch übergeht, die Einnahme sollte also wenn möglich während der Stillzeit vermieden werden.

Impfungen
Bisher sind keine negativen Effekte auf Impferfolge bekannt. Einige wenige Daten sprechen dafür, dass Standardimpfungen unter Glatirameracetat wirksam bleiben. Empfohlen wird auch unter Glatirameracetat eine (jährliche) Grippeschutzimpfung.

Infektionen
Grundsätzlich muss Glatirameracetat beim Auftreten üblicher Infekte nicht abgesetzt werden. Bei schweren Infekten oder gehäuften Infekten, muss im Einzelfall jedoch ein Absetzen erwogen werden.

Welche Alternativen bestehen zu Glatirameracetat?
Glatirameracetat ist nur eine von verschiedenen zugelassenen MS-Therapien. Eine Übersicht finden Sie zu Anfang des Kapitels. Eine weitere Möglichkeit ist auch, (noch) keine Immuntherapie durchzuführen. Weitere Informationen dazu finden Sie in Kapitel 6 „Was erwartet mich bei Multipler Sklerose ohne Therapie?“.

Ohne Therapie folgt die MS dem natürlichen Verlauf. Wie dieser aussieht, kann man aus den Daten der Placebo-Gruppe in den Zulassungsstudien abschätzen: Über 2 Jahre blieben in der Placebo Gruppe 27 von 100 Patienten schubfrei und 72 von 100 ohne Zunahme der Behinderung.