Wie wirksam ist Alemtuzumab bei schubförmiger MS?

Im Glossar finden Sie unter "Allgemeines zu Wirkungen und Nebenwirkungen von MS-Medikamenten" eine allgemeine Einführung in die Thematik, welche Ihnen helfen kann, die nachfolgenden Informationen zur Wirkung von Alemtuzumab besser zu verstehen.

Im Folgenden stellen wir die Ergebnisse für Alemtuzumab als Therapie bei Nichtansprechen einer Ersttherapie (CARE-­MS II) ausführlich dar, da dies die häufigere Anwendungsform ist.

1. Wirkung auf die Schubfreiheit
Die Grafik am Kapitelanfang zeigt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Alemtuzumab oder Interferon-beta 1a noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.

Hier wird die Anzahl der Patienten mit Schüben beschrieben. Um Studienergebnisse mit unterschiedlichen Teilnehmerzahlen besser vergleichen zu können, werden die Ergebnisse bezogen auf 100 Patienten dargestellt:

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit Schüben in der Alemtuzumab-Gruppe (35) von denen mit Schüben in der Interferon-Gruppe (53) abzieht. Hier profitieren 53 – 35, also 18 von 100 Patienten von der Therapie.

  • 18 von 100 Patienten haben einen Nutzen von der Therapie.
  • 35 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, da sie trotz der Einnahme von Alemtuzumab einen Schub hatten.
  • 53 von 100 Patienten profitieren nicht, da sie auch ohne Alemtuzumab schubfrei geblieben sind.

2. Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr
Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. Sie lag in der Rebif®-Gruppe bei 0,52 Schüben gegenüber 0,26 in der Alemtuzumab-Gruppe. Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Rebif®-Gruppe haben im Durchschnitt alle zwei Jahre einen Schub, die Patienten in der Fumarat-Gruppe nur alle vier Jahre.

3. Wirkung auf die Zunahme der Behinderung
Die Zunahme der Behinderung in zwei Jahren wurde in den oben beschriebenen Zulassungsstudien mithilfe des EDSS gemessen. Die Grafik am Kapitelanfang zeigt, wie viele Patienten nach einer zweijährigen Therapie mit Alemtuzumab bzw. zweijähriger Einnahme von Interferon-beta 1a keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt ist wieder der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion).

Im Glossar sind auch einige Angaben zum Nutzen von Medikamenten bei anderen Erkrankungen zu finden, damit Sie einen Eindruck bekommen, wie groß die Therapieeffekte bei MS im Vergleich zu anderen Therapien sind.

Im Folgenden wird die Entwicklung der Behinderung in zwei Jahren beschrieben, jeweils bezogen auf 100 Patienten:

-      13 von 100 Patienten haben trotz der Alemtuzumab-Therapie eine Zunahme der Behinderung.
-      87 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, sie haben unabhängig von der Therapie keine Zunahme der Behinderung.
-      7 von 100 Patienten haben durch die Einnahme von Alemtuzumab keine Zunahme der Behinderung.

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl von Patienten mit einer Behinderungszunahme unter Alemtuzumab (15) von denen mit Rebif® (22) abzieht. Hier profitieren 20 – 13, also 7 von 100 Patienten von der Therapie.

Wirkung auf die MRT/das Kernspin in zwei Jahren
In der MRT treten Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde auf, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.

Über die Studiendauer waren 32% der Patienten mit Interferon-beta 1a und 54% der Patienten mit Alemtuzumab frei von neuen oder vergrößerten T2-Herden.
Unter Alemtuzumab hatten 9% gegenüber 23% unter Rebif® im Verlauf der Studie neue Kontrastmittel aufnehmende Entzündungsherde.

Da Kontrastmittelanreicherungen nur eine Momentaufnahme sind, stellen wir nur die Entwicklung der T2-Herde im Querschnitt eines Gehirns grafisch dar. Dargestellt ist die Anzahl von 100 Patienten ohne bzw. mit neuen oder vergrößerten Herden.

Schrumpfung des Gehirns (Hirnatrophie)
Die Hirnatrophie war in der Alemtuzumab-Gruppe mit -0,61% geringer als mit -0,81% in der Rebif®-Gruppe.

Im Glossar finden Sie Daten zu dem Anteil der Patienten, bei denen es über 2 Jahre keine Anzeichen einer Krankheitsaktivität gab (NEDA - no evidence of disease activity).





Zulassungsstudien

Zwei große, randomisiert-kontrollierte Studien haben die Wirkung von Alemtuzumab untersucht im Vergleich zu einer häufig verwendeten Immuntherapie, dem Interferon-beta 1a (Rebif® 44 μg).

1. CARE-MS I[64] (Alemtuzumab versus interferon beta 1a as first-line treatment for patients with relapsing-remitting multiple sclerosis: a randomised controlled phase 3 trial): Zulassungsstudie für bislang noch nicht behandelte Patienten.

In CARE-MS I wurden 581 Patienten mit schubförmiger MS ohne bisherige Immuntherapie in zwei Gruppen eingeteilt und entweder mit Alemtuzumab oder Rebif® 44µg über 2 Jahre behandelt. Die Patienten hatten eine mittlere Krankheitsdauer von 2 Jahren und im Mittel 1,8 Krankheitsschübe im Jahr vor Beginn der Therapie. Eingeschlossen wurden Patienten mit mindestens 2 Schüben in den letzten 2 Jahren und mindestens 1 Schub im letzten Jahr. Hier zeigt Alemtuzumab einen signifikanten Effekt auf die Häufigkeit von Schüben und das Aufhalten einer Zunahme der Beeinträchtigung im Vergleich zu Rebif® 44µg.

2. CARE-MS II[65] In CARE-MS II wurden 840 Patienten mit schubförmiger MS behandelt und über zwei Jahre beobachtet, die trotz Immuntherapie noch Krankheitsaktivität hatten, d.h. 2 Schübe in den letzten 2 Jahren. 436 Patienten erhielten 12 mg Alemtuzumab und 231 erhielten Interferon-beta 1aRebif® 44 µg. Die anderen 173 Patienten erhielten 24 mg Alemtuzumab, aber diese Behandlung wurde in der Studie abgebrochen, um die Studie schneller zu beenden. Dies ist die erste Studie, die eine  bei Versagen einer  untersucht hat. Das heißt, in CARE MS-II wurde erstmalig eine Therapie an Patienten getestet, bei denen eine andere MS-Therapie nicht ausreichend gewirkt hatte.


Um sicherzustellen, dass nicht allein der Glaube an ein neues, womöglich wirksameres Medikament zu einer Verbesserung der Beschwerden führt (Placeboeffekt), muss es in Studien immer eine Gruppe Patienten geben, die glaubt, dass sie das Studienmedikament erhält, obwohl das nicht der Fall ist und sie in Wirklichkeit ein Scheinmedikament (Placebo) erhalten. In CARE-MS I und CARE-MS II wussten die Patienten aber, ob sie das neue Medikament oder Interferon-beta 1a erhielten. Das führte möglicherweise auch mit zu der hohen Abbruchrate in CARE-MS II von 32%. Durch diese methodische Schwäche könnte der Nutzen von Alemtuzumab überschätzt sein.

In beiden Studien, CARE-MS I und CARE-MS II, zeigte Alemtuzumab, verglichen mit einer Therapie mit Interferon-beta 1a, eine signifikant bessere Wirksamkeit.
Da Alemtuzumab in der Realität selten als erste Therapie eingesetzt wird, stellen wir im Folgenden die Ergebnisse für Alemtuzumab als Therapie bei Nichtansprechen einer Ersttherapie (CARE-MS II) ausführlich dar, weil dies die häufigere Anwendungsform ist. Die Ergebnisse der Studie CARE-MS I finden Sie weiter unten im Kapitel „Häufig gestellte Fragen“.