Was ist Cladribin?

Cladribin (auch „2-Chlorodesoxyadenosin“) gehört zur Gruppe der sogenannten Nukleosidanaloga. Nukleoside sind Bausteine der DNS; dementsprechend sind Nukleosidanaloga Moleküle, die den Bausteinen des menschlichen Erbguts sehr ähnlich sind. Wenn Zellen diese fremden Bausteine in ihr Erbgut einbauen, wird ihre Funktion gestört und sie gehen schneller zugrunde als üblich. Cladribin kann deshalb auch Krebszellen bekämpfen und ist seit einigen Jahren als Chemotherapie bei einer Blutzellkrebserkrankung, der Haarzellleukämie, zugelassen. 



Wie wirkt Cladribin?

Cladribin gehört zu den sogenannten Immuntherapien der MS. Das Immuntherapeutikum wirkt besonders auf bestimmte Untergruppen von weißen Blutkörperchen (die Lymphozyten), von denen es bevorzugt aufgenommen wird. Weil Cladribin den Bausteinen der DNS so ähnlich sieht, wird es von den Zellen fälschlicherweise in deren Erbgut eingebaut. Das bewirkt, dass die Lymphozyten nicht mehr richtig funktionieren und sich auch nicht mehr teilen können.
Auf diese Weise wird die Anzahl der Lymphozyten vorübergehend reduziert und bestimmte Funktionen werden gestört.



Für wen ist Cladribin zugelassen?

Cladribin ist in der EU seit August 2017 für Patienten mit hochaktiver schubförmiger Multipler Sklerose zugelassen. „Hochaktiv“ wurde in der Studie, die zur Zulassung führte, definiert als:

  • Patienten, die im vorausgegangenen Jahr einen Schub und in der MRT mindestens eine Kontrastmittel aufnehmende Läsion, alternativ neun oder mehr T2-Läsionen während der Behandlung mit anderen Immuntherapien hatten,
  • Patienten mit zwei oder mehr Schüben im vorausgegangenen Jahr, unabhängig davon, ob sie mit einer Immuntherapie behandelt wurden oder nicht.



Wie wird Cladribin eingenommen?

Cladribin ist als Tablette erhältlich. Es wird nicht wie andere Tabletten täglich, sondern in insgesamt vier Behandlungszyklen über zwei Jahre eingenommen, sprich zwei Behandlungszyklen pro Jahr. In beiden Jahren gibt es je zwei Behandlungszyklen von 4 – 5 Tagen im Abstand von einem Monat.

Konkret heißt das, dass Patienten jeweils in Monat 1 und 2 sowie Monat 13 und 14 der Behandlung 4 bis 5 Tage lang Cladribin-Tabletten erhalten. Die Dosis, also wie viele Tabletten ein Patient genau einnehmen muss, richtet sich nach seinem Körpergewicht. Pro Kilogramm Körpergewicht müssen über zwei Jahre insgesamt 3,5 mg Cladribin eingenommen werden. Das nennt sich „kumulative Dosis“. Die kumulative Dosis wird wegen der vier Zyklen durch 4 geteilt. Das Ergebnis wird auf vier bis fünf Tage verteilt.

Beispielsweise sieht die Rechnung für einen 60 Kilogramm (kg) schweren Patienten folgendermaßen aus:

Kumulative Dosis: 60kg x 3,5mg Wirkstoff = 210mg
Dosis pro Behandlung: 210mg/4 Zyklen = 52,5mg/Zyklus
Dosis pro Tag (in 10-mg-Tabletten): 52,5mg/5 Tage = 1 x 10mg/Tag

Das heißt, ein 60kg schwerer Patient würde in Monat 1 und 2 sowie in Monat 13 und 14 für 5 Tage je eine 10-mg-Tablette Cladribin einnehmen.

Wird die Einnahme einer Tablette vergessen, so darf sie nicht am darauffolgenden Tag zusammen mit der nächsten Tablette eingenommen werden, sondern der Zeitraum der Einnahme verlängert sich dementsprechend um einen Tag. 

Die Tabletten können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Sie müssen mit Wasser eingenommen und unzerkaut heruntergeschluckt werden. Weil sie keinen Filmüberzug haben, müssen sie nach der Entnahme aus der Packung sofort eingenommen werden. Bei der gleichzeitigen Einnahme anderer oraler Arzneimittel empfiehlt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), an den wenigen Tagen, an denen Cladribin eingenommen wird, einen zeitlichen Abstand von drei Stunden zur Einnahme anderer Medikamente einzuhalten. 

Links sehen Sie ein Foto der Medikamentenpackung von Mavenclad® und rechts ein Foto der Tabletten: 
      

Bildquelle: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/04/01/cladribin-bei-sekundaer-progredienter-ms