Prognosefaktoren

Trotz einer Vielzahl an durchgeführten Studien zum Verlauf der Erkrankung, werden bisher lediglich die Verlaufsform und das Erkrankungsalter als gesicherte Prognosefaktoren angesehen. Bei Personen die jung erkranken und einen schubförmigen Verlauf haben, ist die Prognose besser. Weitere Faktoren die als wichtig für den Krankheitsverlauf betrachtet werden sind die Rückbildungstendenz des Erstereignisses und die Anzahl der Herde im Kernspin. Für andere Prognosefaktoren fehlt ein wissenschaftlicher Beleg.

Verlaufsform

Bei einem primär chronischen Verlauf (PPMS) kommt es früher zu bleibenden Beeinträchtigungen im Vergleich zum schubförmigen Verlauf. Hier ist die Verlaufsform der dominante prognostische Faktor: im jüngeren und im älteren Erkrankungsalter ist der Fortschritt der Erkrankung ähnlich. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2009 haben Wissenschaftler die Ergebnisse aus Studien zum natürlichen Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose, in welchen prognostische Faktoren evaluiert wurden, zusammengefasst. Allerdings mindern große Unterschiede zwischen den Studien deren Aussagekraft. Laut den Autoren ist bei der PPMS eine deutliche Beeinträchtigungszunahme in den ersten zwei bzw. fünf Jahren ein negativer Prognosefaktor. Für die SRMS und SPMS stellt eine deutliche Zunahme der bleibenden Beeinträchtigung über fünf Jahre einen negativen Prognosefaktor da (Degenhardt et al, 2009).

Alter

Bezogen auf die Prognose für die nächsten zehn Jahre ist diese bei Beginn der MS in jungen Lebensalter im Vergleich zum einem höheren Lebensalter besser.[12] Mit Bezug auf die Gesamtlebensspanne hat allerdings eine Person, welche mit 50 Jahren an einer MS erkrankt zehn Jahre später weniger Beeinträchtigungen verglichen mit einer Person, die im 60sten Lebensjahr bereits 35 Jahre MS hat,- also mit 25 Jahren jung erkrankt ist.

Dies wird in der folgenden Übersicht (siehe Abbildung unten) graphisch dargestellt. Es ist ersichtlich, dass in der Altersgruppe der über 50-Jährigen die Zeitspannen bis zum Erreichen der nächst höheren EDSS-Werte kürzer sind, als bei 20- bis 29-Jährigen. Somit scheint die Erkrankung in höherem Alter schneller fortzuschreiten. Patienten, die in jungen Jahren erkranken, haben jedoch aufgrund ihres länger währenden Krankheitsverlaufs im Mittel schon eine gewisse Beeinträchtigung entwickelt, wenn die älteren Patienten erst am Beginn ihrer Erkrankung stehen

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Andere Prognosefaktoren

Zu allen anderen Faktoren liefern die vorliegenden Studien keine klaren Hinweise für einen Einfluss auf den Verlauf. Die Ergebnisse der verschiedenen Studien sind hierzu zu widersprüchlich. Die am häufigsten untersuchten Faktoren hierbei sind:

  • Geschlecht: Einige Studien sprechen für eine ungünstigere Prognose der MS bei Männern, welche häufiger einen primär chronischen Verlauf haben.
  • Schübe in den ersten zwei Jahren: Einige Daten sprechen für eine ungünstige Prognose bei sehr vielen Schüben in den ersten zwei Jahren. Allerdings scheint dieser Effekt, wenn überhaupt, nur für die Zeit bis zum Erreichen eines EDSS von 4 zu bestehen.
  • Schwere der Schübe: Die Daten hierzu sprechen nicht für eine Gesamtprognosebedeutung der Schubschwere.
  • Schübe mit Beschwerden in verschiedenen neurologischen Funktionssystemen (so genannte multifokale Schübe): Die Beteiligung mehrerer Funktionssysteme ist nicht einheitlich bedeutsam für die Prognose.
  • Rückbildung der Beschwerden nach dem ersten Schub: Andere Untersuchungen haben z.T. eine ungünstige Prognose zeigen können für Betroffene, die sich schon vom ersten Schub nur unvollständig erholt haben. Der Zeitabstand zum zweiten Schub wurde ebenfalls als Prognosefaktor formuliert.
  • Symptome bei Erkrankungsbeginn: Einige Studien sprechen für eine ungünstigere Prognose, wenn viele neurologische Symptome schon zu Beginn auftreten. Unter Betrachtung der gesamten Studienergebnisse, scheint die Art der Erstbeschwerden jedoch nicht prognostisch bedeutsam zu sein.
  • Weitere Untersuchungen: Über die Aussagekraft von Kernspin befunden oder Befunden aus anderen Untersuchungen wie Nervenwassertests zur Vorhersage des Verlaufs, gibt es bislang keine klaren Erkenntnisse. Der Befund im ersten Kernspin ist bislang der einzige Untersuchungsbefund, der möglicherweise auf den weiteren Verlauf einer MS hinweist. Nach einer aktuellen Studie[23] ist bei einer Anzahl von mehr als 10 Entzündungsherden eher mit der Entwicklung einer bleibenden Beeinträchtigung zu rechnen. Letztendlich liegen hierzu aber noch zu wenige Daten vor.

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Übersicht über Prognosefaktoren

In der folgenden Tabelle ist aufgeführt, welche Bedeutung verschiedene Faktoren auf den Verlauf der Krankheit haben können. Insgesamt sind die Effekte dieser Faktoren mäßig: ++ = bewiesen bedeutsam, + = möglicherweise bedeutsam, +/0 = eher keine Bedeutung, 0 = keine Bedeutung. Darunter sehen Sie noch einmal die bedeutsamen Faktoren auf einen Blick.

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