Wie wirksam ist Cladribin bei schubförmiger MS?

1. Wirkung auf die Schubfreiheit

Die Grafik am Kapitelanfang zeigt, wie viele Patienten nach zwei Jahren Therapie mit Cladribin oder Einnahme von Placebo noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen. Die Ergebnisse beziehen sich auf die oben beschriebene Zulassungsstudie CLARITY[90].

Hier wird die Anzahl der Patienten mit Schüben beschrieben. Um Studienergebnisse mit unterschiedlichen Teilnahmerzahlen besser vergleichen zu können, werden die Ergebnisse bezogen auf 100 Patienten dargestellt.

  • 80 von 100 Patienten haben einen Nutzen von der Therapie. (Keinen Schub durch die Therapie)
  • 20 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, da sie trotz der Einnahme von Cladribin einen Schub hatten.
  • 61 von 100 Patienten profitieren nicht, da sie auch ohne Cladribin schubfrei geblieben sind.

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl von Patienten mit Schüben unter Cladribin (20) von denen mit Schüben unter Placebo (39) abzieht. Hier profitieren 39– 20, also 19 von 100 Patienten von der Therapie.


2. Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr

Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. Sie lag in der Placebo-Gruppe bei 0,33 Schüben gegenüber 0,14 in der Cladribin-Gruppe. Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Placebo-Gruppe haben im Durchschnitt alle 3 Jahre einen Schub, die Patienten in der Cladribin-Gruppe nur alle 6,5 Jahre. Die Schubrate in der Placebo-Gruppe ist relativ niedrig. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass die Patienten in der Studie generell nur eine geringe Krankheitsaktivität hatten.

 

3. Wirkung auf die Zunahme der Behinderung

Die Zunahme der Behinderung wurde in den Zulassungsstudien mit Hilfe des EDSS gemessen, einer Behinderungsskala von 0 bis 10 (wobei 0 keiner Behinderung entspricht). Die Grafik am Kapitelanfang zeigt, wie viele Patienten nach zwei Jahren Therapie mit Cladribin oder zweijähriger Einnahme von Placebos keine Zunahme der Beeinträchtigung hatten. Dargestellt ist wieder der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).

Hier wird die Entwicklung der Behinderung bezogen auf 100 Patienten beschrieben:

  • 86 von 100 Patienten haben durch die Einnahme von Cladribin keine Zunahme der Behinderung
  • 14 von 100 Patienten haben trotz der Cladribin-Therapie eine Zunahme der Behinderung
  • 79 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, sie haben unabhängig von der Therapie keine Zunahme der Behinderung.

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl von Patienten mit einer Behinderungszunahme unter Cladribin (14) von denen mit Placebo (21) abzieht. Hier profitieren 21 -14, also 7 von 100 Patienten von der Therapie.


Langzeitwirkung

Im Anschluss an die zweijährige CLARITY-Studie[90] wurde eine sogenannte Extensions-, also Verlaufsstudie durchgeführt (CLARITY EXTENSION), die ebenfalls zwei Jahre andauerte. Es nahmen zwei Drittel (806 von 1326 Patienten) der CLARITY-Studie daran teil. Die beiden Studiengruppen wurden auf drei neue Studiengruppen verteilt: Eine Gruppe mit fortgesetzter Therapie, eine mit Therapiepause und eine mit neuer Therapie. Nach zwei Jahren hatten in den verschiedenen Gruppen 75 bis 81% der Patienten keinen Schub und 73 bis 78% keine Zunahme der Behinderung. Diese Unterschiede zwischen den Gruppen waren nicht signifikant. Das bedeutet, es war egal, ob Patienten zuerst ein Placebo und dann Cladribin, erst Cladribin und dann Placebo oder vier Jahre lang durchgängig Cladribin eingenommen hatten.

Da es keine Gruppe gab, die über die gesamte Zeit von vier Jahren ein Placebo erhalten hat, ist unklar, wie der natürliche Verlauf der MS in dieser Zeit gewesen wäre. Es lässt sich aber sagen, dass eine vierjährige Einnahme von Cladribin nicht besser ist als eine zweijährige. Aus diesem Grund ist die Einnahmezeit von Cladribin vorerst auf zwei Jahre begrenzt.

4. Wirkung auf die MRT/das Kernspin in zwei Jahren

In der MRT treten Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde auf, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.

28% der Patienten in der Placebo-Gruppe und 62% in der Cladribin- Gruppe waren über die Studiendauer frei von neuen oder vergrößerten T2-Herden. 47% der Patienten in der Placebo-Gruppe und 87% in der Cladribin-Gruppe hatten über die Studiendauer keine Herde mit Kontrastmittelanreicherungen.

Da Kontrastmittelanreicherungen nur eine Momentaufnahme sind, stellen wir nur die Entwicklung der T2-Herde im Querschnitt eines Gehirns grafisch dar. Dargestellt ist die Anzahl von 100 Patienten ohne bzw. mit neuen oder vergrößerten Herden.






Zulassungsstudien

Die Wirkung von Cladribin auf die Schubrate und die Zunahme der Behinderung wurde in der Zulassungsstudie CLARITY[90] (CLAdRIbine Tablets treating multiple sclerosis orally) geprüft und 2010 veröffentlicht. Eingeschlossen wurden Patienten, die in den 12 Monaten vor Studienbeginn mindestens einen Schub hatten. Insgesamt wurden 1326 Patienten mit aktiver Multipler Sklerose über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Langfristige Effekte werden in Therapieregistern untersucht, liefern aber nicht so aussagekräftige Daten wie Zulassungsstudien.

In CLARITY[90] wurde die Wirksamkeit von zwei unterschiedlichen Cladribin-Dosierungen mit Placebo verglichen. Die Darstellung der Ergebnisse bezieht sich auf die zugelassene, niedrigere Dosierung (3.5 mg Cladribin pro Kilogramm Körpergewicht, auch 3.5 mg/kg KG). Die in den Studien ebenfalls getestete höhere Dosierung (5.25 mg/kg KG Cladribin) war insgesamt nicht wirksamer.

Die CLARITY-Studie zeigte eine signifikant überlegene Wirksamkeit des Medikaments gegenüber einer Placebogabe.




Fasst man neue T2-Herde und Kontrastmittel anreichernde Herde als gesamte MRT-Aktivität zusammen, so fanden sich in der Placebo-Gruppe 25% und in der Cladribin-Gruppe 60% ohne MRT-Aktivität.

Im Glossar finden Sie Daten zu dem Anteil der Patienten, bei denen es über 2 Jahre keine Anzeichen einer Krankheitsaktivität gab (NEDA - no evidence of disease activity).