Häufige Fragen zur MS-Prognose

Warum ist es schwierig meinen zukünftigen Krankheitsverlauf vorherzusagen?

Die MS ist eine Erkrankung mit einem sehr individuellen Verlauf. Die Abbildung "MS-Verläufe" zeigt das weite Spektrum der MS-Verläufe. Neben den errechneten Mittelwerten kann man aus der weit gestreuten, wolkenförmigen Punkteverteilung auf die Existenz der vielen, sehr unterschiedlichen Verläufe schließen. Ob die Langzeitstudie aus Lyon, die 1997 beendet wurde und auf der die erwähnte Abbildung beruht, die heute gültigen Prognosen widerspiegelt, ist offen. Jedoch gibt es im Moment keine neueren, populationsbasierten Daten.

Welche Faktoren können mir dennoch helfen, meine Prognose einzuschätzen?

Die bisher durchgeführten Studien konnten nur die Verlaufsform der MS und das Erkrankungsalter als Prognosefaktoren sichern. Als möglicherweise bedeutsam zur Prognoseabschätzung werden die Anzahl der Herde im Kernspin (siehe Abbildung im vorherigen Beitrag) nach dem Erstereignis und die Rückbildungstendenz des Erstereignisses angesehen.

Außerdem gibt es im Internet ein Rechenmodul (OLAP-Prognose-Kalkulator) auf Englisch, das nach Eingabe der Patientendaten anhand von umfassenden Studiendaten Aussagen über den individuellen Verlauf in naher Zukunft trifft: SLCMSR Homepage. (Um den OLAP-Prognose-Kalkulator öffnen zu können, ist die Bestätigung einer Sicherheitsausnahme nötig.)

Welche Aussagen können über die Lebenserwartung getroffen werden?

Auch hier stellt sich das Problem der fehlenden aktuellen, populationsbasierten Daten. Es wird angenommen, dass die Lebenserwartung im Grunde nur gering gegenüber der Normalbevölkerung verringert ist. Diese Annahme ist jedoch nicht durch vorhandene Datensätze belegbar. In Dänemark bemühte man sich von 1949 bis 1996 alle MS-Patienten in ein Register aufzunehmen und ihren Krankheitsverlauf zu dokumentieren. Aus diesen Daten wurde eine um 10 Jahre verringerte Lebenserwartung für MS-Patienten errechnet. Auch hier ist einschränkend darauf hinzuweisen, dass das Register 1996 geschlossen wurde. Somit wurden hier Patienten beobachtet, die zu einer Zeit diagnostiziert wurden, als der Medizin noch nicht die modernen diagnostischen Tests zur Verfügung standen und somit wird angenommen, dass die gutartigen Verläufe in dieser Datenerhebung unterrepräsentiert sind. Das Kernspin wurde erst Mitte der 80-er Jahre in die Diagnostik eingeführt. Des Weiteren sind die ersten MS-Medikamente 1995 zugelassen worden.

Kann die MS einen tödlichen Verlauf nehmen?

Insgesamt wird angenommen, dass lediglich ein sehr kleiner Anteil an Betroffenen direkt an MS, z.B. durch einen Entzündungsherd im Atmungszentrum, verstirbt. Todesursachen bei schweren MS-Verläufen sind meist Komplikationen, die sich z.B. aus der Bettlägerigkeit und schweren Blasenfunktionsstörungen ergeben (beispielsweise schwere Blasen- und Lungenentzündung oder Lungenembolie).

Kann eine Immuntherapie grundsätzlich den Verlauf der MS ändern?

Auch wenn es einige Hinweise dafür gibt, so ist der langfristige Nutzen der Immuntherapien bei MS nicht gesichert. Wie die unteren Abbildungen zeigen, kann es sein, dass der Therapieeffekt nach Jahren der Beobachtung nicht mehr nachweisbar ist. Die längsten Therapeiverlaufsdaten finden sich unter Betaferon. Hier [29] finden sich von 98% der 372 Patienten, die an der Studie teilnahmen Daten zur Sterblichkeit nach 21 Jahren. In der dierekt behandelten Gruppe waren nach 21 Jahren noch 85% am Leben, in der Placebogruppe, die in dieser Studie 5 Jahre nicht behandelt wurde, waren es 69%, was einer absoluten Reduktion von 16% entspricht. Was die Patienten in den 15 Jahren nach der Studie als Therapie erhielten, sowie die Todesursachen, wird nicht berichtet. Insofern ist ein ursächlicher Zusammenhang zur Therapie nur schwer zu behaupten. Nach 16 Jahren Verlaufsuntersuchung liegen Beeinträchtigungsdaten vor. Hier führte die Interferontherapie in der Studie nicht zu weniger Patienten mit einer Beeinträchtungszunahme bis Jahr 16 [30].

Studieneffekte MS Therapie

Studieneffekt MS Therapie II

*Kommunikation von Ungewissheit.
Dargestellt sind beispielhafte Daten einer Interferon-Zulassungsstudie auf die Beeinträchtigung in der Expandet Disability Status Scale (EDSS) (Range0-10). Bekannt sind lediglich die Ergebnisse nach zwei Jahren Studiendauer. Die Langzeiteffekte bleiben unklar, wie die beiden möglichen Szenarien zeigen.
 

Betaferon wurde auch in der Frühtherapie gegenüber einer um 2 Jahre verzögerten Therapie untersucht. Zeigte sich nach 3 Jahren ein Effekt mit 8 von 100 weniger Patienten mit einer Zunahme der Beeinträchtigung, so war dieser nach 5 Jahren (4 von 100 ohne Progression) und auch nach 8 Jahren (2 von 100 ohne Progression) nicht mehr nachweisbar [31].

Aus einem kanadischen Versorgungsregister wurde 2012 eine Studie veröffentlicht [32], in der je 800 Patienten unter Interferontherapie und ohne Interferontherapie über einen durchschnittlichen Verlauf von 4-5 Jahren beobachtet und mit einer historischen Kontrollgruppe verglichen wurden. Interessanterweise zeigten die Patienten mit der Interferongabe einen schlechteren Verlauf als die Patienten der Kontrollgruppe. Dies liegt vermutlich an der nicht zufälligen Zuordnung der Patienten in die jeweiligen Gruppen, denn die Ärzte haben vorzugsweise solche Patienten mit einem Interfreon behandelt, die einen aktiveren Verlauf hatten, daher konnte das Interfreon den Verlauf nicht ins Gute wenden. Dagegen steht eine Versorgungsstudie aus Italien [33]. Hier zeigten von 1504 Patienten 28% von 400 ohne Therapie gegenüber 20% von 1100 unter Interferon eine auf 500m oder weniger reduzierte Gehstrecke im Verlauf. Auch diese Daten sind wie schon die kanadische Studie nur mit Vorsicht zu bewerten.

Derlei Versorgungsdaten haben viele Schwächen, doch sie unterstreichen, dass der Langzeitnutzen offen ist.