Einleitung

Multiple Sklerose (auch "MS" abgekürzt) ist eine chronische Erkrankung, die durch entzündliche Veränderungen und Abbauprozesse im zentralen Nervensystem charakterisiert ist.

Dieses Nachschlagewerk soll allgemein verständlich und so klar wie möglich die wissenschaftlichen Belege darstellen für:
  • die Entstehung und die Beschwerden bei MS
  • die Sicherung der Diagnose von MS
  • den Verlauf der MS
  • Wirkungen und Nebenwirkungen der MS-Therapien
Damit soll dieses digitale Nachschlagewerk eine Hilfe zur Entscheidungsfindung für oder gegen eine Immuntherapie sein. Dieses Nachschlagewerk  bemüht sich darum, wissenschaftlich begründetes Wissen über MS und MS-Therapien darzulegen. Dies erfolgt Schritt für Schritt durch eine evidenzbasierte Aufbereitung auf Grundlage der aktuell best verfügbaren Literatur. Diese sogenannten systematischen Ãœbersichtsarbeiten sollen ebenfalls verfügbar gemacht werden.

Dabei werden schon jetzt zahlreiche wissenschaftliche Ungewissheiten genannt. Vieles wirkt dabei ernüchternd. Insgesamt kann dieses Nachschlagewerk  aber nur ein Baustein in einem Therapie-Entscheidungsprozess sein. Idealerweise wird die Arbeit mit dem Nachschlagewerk begleitet von einer MS-Schwester und einem Arzt, anderen Betroffenen sowie Angehörigen und Freunden. Ziel muss es dabei sein, die für sich persönlich beste Entscheidung zu finden, dabei muss diese nicht immer die medizinisch vernünftigste Entscheidung sein.

Zu den Begrifflichkeiten

Die Wahl der männlichen Form in den Formulierungen „Patient“ und „Behandelter“ erfolgt nur der Einfachheit halber. Im Nachschlagewerk wird zur Beschreibung MS-Erkrankter vor allem der Begriff „Patient“ benutzt. Dabei sind sich die Autoren der Unzulänglichkeit des Begriffs bewusst. Der Begriff „Patient“ meint wörtlich „passiv leidend“ oder „geduldig“ und entspricht nicht unserem Bild von den Lesern dieses Nachschlagewerks.

Er enthält auch eine Rollendefinition, weil ein Patient jemand ist, der sich einem Arzt oder einem anderen Gesundheitsversorger vorstellt. Insofern wäre der Begriff „Betroffener“ oft angemessener, weil hier keine Rollendefinition enthalten ist, sondern nur gesagt wird: dies ist ein Mensch mit MS. Von „MS betroffene Menschen“, über die in Studien berichtet wird, sind in erster Linie Teilnehmer und nicht unbedingt „Patienten“. Dennoch entschieden sich die Autoren zumeist von „Patienten“ zu sprechen, um die anspruchsvolle Lektüre nicht zusätzlich zu verkomplizieren. Der Begriff der „Beeinträchtigung“ wird benutzt, weil in den Studien zumeist funktionelle Beeinträchtigungen über kurze Zeiträume gemessen wurden. Unter „Behinderung“ verstehen wir demgegenüber die Summe aller bleibenden Beeinträchtigungen mit ihren Folgen für ein selbstständiges Leben.

Welche Bereiche sollte ich lesen?

Das Wiki ist inhaltlich nach Verlaufsformen der MS geordnet. Sie können ganz gezielt bei ihrer Situation ansetzen. Dazu sollten Sie bereits über Verlaufsform und Krankheitsaktivität informiert sein. Sind Sie sich dessen noch unsicher, sollten Sie zuerst Kapitel 3 bis 6 durchlesen, um diese Informationen zu erwerben.

Im Kapitel "Was nützen mir klinische Studien" werden grundsätzliche Dinge zum Verständnis von medizinischen Studien bei MS erklärt. Dies ist notwendig, um die Studien zur Diagnosestellung, zum Verlauf und zur Therapie richtig bewerten zu können. Das Kapitel "Was ist Multiple Sklerose?" fasst grundlegendes Wissen zur Entstehung der MS zusammen. Das Kapitel "Diagnose der Multiplen Sklerose" widmet sich den diagnostischen Tests, hier vor allem dem Kernspin, den so genannten Diagnosekriterien und Differentialdiagnosen. Im Kapitel "Beschwerden bei Multipler Sklerose" geht es um die möglichen Beschwerden, die bei MS auftreten können. Das Kapitel "Verlauf der Multiplen Sklerose" fasst die Ergebnisse der Prognosestudien zusammen. Das Kapitel "Behandlung der Multiplen Sklerose" ist das zentrale Kapitel dieses Wiki. Hier folgt die Darstellung zur Wirksamkeit (Progression der Beeinträchtigung und Schubfreiheit) und Sicherheit der verschiedenen Medikamente, getrennt nach den Verlaufsformen:

Im Kapitel "Therapien mit umstrittener Wirksamkeit" werden Therapien aufgelistet, die momentan diskutiert werden. Weitere Kapitel beschreiben "Therapien ohne Wirksamkeitsnachweis", "Therapien in Zulassungsstudien" und "Therapien in Entwicklung". Das Kapitel "Behandlung von Beschwerden" wird noch geschrieben.
Das Kapitel "Tabellarischer Vergleich der Immuntherapien" stellt die vielzähligen Immuntherapien einander gegenüber. Es folgt das Kapitel "MS und Schwangerschaft".  In einem weiteren Kapitel finden Sie "weiterführende Literatur, Adressen, Links und Videos" und im letzten Kapitel "Glossar" werden Begriffe erklärt.

Welche Therapien werden dargestellt?

Es werden alle in Deutschland zugelassenen MS-Immuntherapien und solche in Zulassungsstudien beschrieben. Neben den Zulassungsmerkmalen werden die Informationen der Leitlinie zur MS der Deutschen Gesellschaft für Neurologie berücksichtigt. Diese kann eine Expertenmeinung darstellen ohne wirklich systematische wissenschaftliche Datenlage (z.B.: Eskalationstherapie mit 2g Methylprednisolon bei schweren Schüben).

Wie werden die Daten dargestellt?

Die Bedeutsamkeit von Studien und deren Qualität sind für Laien oft schwer nachzuprüfen. Es gibt verschiedene Methoden, die Bedeutsamkeit und Qualität von Therapiestudien einfach zusammenzufassen. Die meisten Systeme sind letztlich entweder subjektiv bewertend oder hoch kompliziert. Wir haben uns entschlossen, die Zahlen für sich sprechen zu lassen. Insofern sind Sie selbst gefordert für sich zu bewerten, ob der Effekt groß oder klein ist. Durch eine Zusammenschau mit anderen Medikamenten zur Therapie der MS (aber auch bei anderen Erkrankungen) kann dies leichter fallen.

Im Zentrum der Darstellung hier steht die Wirkung auf die Verhinderung der Zunahme von Beeinträchtigung in den Therapiestudien. Daneben soll auch die Schubfreiheit dargestellt werden. Für die aussagekräftigsten Studien haben wir eine graphische Darstellung über Figuren (sog. "Männchen") gewählt.

Der Therapieeffekt wird dann in absoluten Zahlen (als so genannte absolute Risikoreduktion) dargestellt. Für die Studien mit unsicherer Datenlage werden die Ergebnisse nur im Text erwähnt. Für MS-Therapiestudien wurden bislang sehr viele verschiedene so genannte Endpunkte untersucht. Zur besseren Ãœbersichtlichkeit werden in diesem Nachschlagewerk vor allem die folgenden dargestellt:

  • Patienten ohne Zunahme der Beeinträchtigung (auch Progressionsfreiheit genannt),
  • Patienten mit Schubfreiheit während der Studie.

Die graphische Darstellung der absoluten Risikoreduktion wird im Folgenden noch weiter erklärt. Sollte es einmal keine Daten zu dem entsprechenden Punkt geben, wird der entsprechende Teil mit dem Symbol "Ø" versehen.

Darstellung der Wirkung von MS-Medikamenten

Zunahme der Behinderung

Bsp.: Wirkung von Dimethylfumarat zur Therapie der schubförmigen MS bezogen auf Patienten ohne Zunahme einer Beeinträchtigung

Der Balken insgesamt steht für 100 Patienten unter einer bestimmten Therapie in einer Studie. Hier wird die Hauptwirkung auf die Verhinderung der Behinderungszunahme dargestellt. Die Studienergebnisse werden zusammengefasst dargestellt. Männchen mit Gehstock werden für die Zunahme der Behinderung eingesetzt. Männchen mit Händen auf dem Rücken stehen für Stabilität auch ohne Therapie. Männchen mit erhobenem Daumen stehen für die Stabilität aufgrund der Therapie. Die Stabilität entspricht dem Nutzen der Therapie bezogen auf die Behinderungszunahme. Die tatsächliche Anzahl der Studienteilnehmer der dargestellten Studien wird auf eine feste Vergleichsgröße von 100 Patienten umgerechnet. Dargestellt werden:

  1. Patienten, die trotz eines Medikaments eine Zunahme der Behinderung erfahren,
  2. Patienten, die durch das Medikament bedingt keine Zunahme der Behinderung erfahren,
  3. Patienten, die auch ohne Medikament keine Zunahme der Behinderung erfahren hätten.

Für die obigen Grafik heißt dies, dass auf 100 Patienten gerechnet:

  • 14 Patienten trotz Fumarat-Therapie eine Zunahme der Behinderung hatten,
  • 8 Patienten bedingt durch die Therapie keine Zunahme der Behinderung hatten,
  • 78 Patienten unabhängig von der Therapie keine Zunahme der Behinderung hatten.

Durch das Anklicken der Überschriften der Grafiken in den Zusammenfassungskästen der Kapitel „Therapie der schubförmigen MS“ und „Therapie der Erstmanifestation“ gelangen Sie auf eine Seite mit detaillierten Erläuterungen zu jeder einzelnen Grafik (s. weiter unten "Darstellung von Behandlungseffekten").

Schubfreiheit

Bsp.: Wirkung von Dimethylfumarat zur Therapie der schubförmigen MS bezogen auf Patienten mit Schubfreiheit

Der Balken insgesamt steht für 100 Patienten unter einer bestimmten Therapie in einer Studie. Hier wird die Hauptwirkung auf die Verhinderung weiterer Schübe dargestellt, also "Schubfreiheit". Die Studienergebnisse werden zusammengefasst dargestellt. Auch hier wird die tatsächliche Anzahl der Studienteilnehmer der dargestellten Studien auf eine feste Vergleichsgröße von 100 Patienten umgerechnet.

Dabei werden Männchen mit hängendem Kopf für das Auftreten von Schüben genutzt. Männchen mit Händen auf dem Rücken stehen für Schubfreiheit auch ohne Therapie. Männchen mit erhobenem Daumen stehen für Schubfreiheit aufgrund der Therapie. Die Schubfreiheit entspricht dem Nutzen der Therapie. Dargestellt werden:

  1. Patienten, die trotz eines Medikaments einen oder mehrere Schübe erleiden,
  2. Patienten, die durch das Medikament bedingt keine Schübe erleiden,
  3. Patienten, die auch ohne Medikament keine Schübe erlitten hätten.

Für die obigen Grafik heißt dies, dass auf 100 Patienten gerechnet:

  • 28 Patienten trotz Fumarat-Therapie einen oder mehrere Schübe erlitten,
  • 16 Patienten bedingt durch die Therapie keine Schübe erlitten,
  • 56 Patienten unabhängig von der Therapie keine Schübe erlitten hatten.

Durch das Anklicken der Überschriften der Grafiken in den Zusammenfassungskästen der Kapitel „Therapie der schubförmigen MS“ und „Therapie der Erstmanifestation“ gelangen Sie auf eine Seite mit detaillierten Erläuterungen zu jeder einzelnen Grafik (s. weiter unten "Darstellung von Behandlungseffekten").

Qualität der Studien

⇑ ein große oder mehrere randomisiert-kontrollierte Studien (Phase-3), evtl. eine systematische Metaanalyse

⇔ kleine randomisiert-kontrollierte Studie (Phase-2) oder widersprüchliche Phase-3-Studie

⇓ Kohortendaten (Phase-1) oder Expertenmeinung ohne Studiendaten.

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen lassen sich kaum auf ein Bewertungsmaß reduzieren. Hier müssen häufige leichte und seltene schwere Nebenwirkungen dargestellt werden. Deshalb werden die für das jeweilige Medikament bedeutsamen Nebenwirkungen in der Regel in den Rubriken "schwer", "mäßig" und "leicht" mit Zahlen benannt.

Hinter der Nebenwirkung erscheint jeweils die Häufigkeit (z.B. 2 von 100 Patienten) gegenüber Placebogabe. Die Häufigkeit wird immer umgerechnet, sodass es auf 100 Patienten bezogen ist. Wenn dieser Bezug nicht vorliegt, wird dies gesondert genannt (z.B. bei PML unter Tysabri). Hier wie in anderen Fällen von selteneren Nebenwirkungen erfolgt die Angabe nicht auf 100 Patienten bezogen, sondern auf 1000 Patienten. Dies ist der Fall, wenn die beschriebenen Nebenwirkungen selten vorkommen.

Für weiterführende Informationen zu Nebenwirkungen siehe "Was nützen mir klinische Studien? - Schwächen von MS-Studien - Nebenwirkungen".

Weitere Wirkungen

Hier werden weitere Wirksamkeitsgrößen genannt, die für viele Studien vorliegen aber nicht so solide sind, wie die Anzahl an Patienten, die keine Beeinträchtigungszunahme hat. Wenn möglich erfolgt ebenfalls die Darstellung in Bezug zur Placebogruppe. Aufgeführt werden:

  • Krankheitsaktivitätsfreier Zeitraum bzw. Patienten (Patienten, die für eine gewisse Dauer der Behandlung keine Anzeichen einer MS-Erkrankung aufzeigen.)
  • jährliche Schubrate
  • neue Kontrastmittelanreicherungen
  • neue T2-Herde

Darstellung von Behandlungseffekten

Der Balken insgesamt steht für 100 Patienten unter einer bestimmten Therapie in einer Studie. Hier wird die Hauptwirkung auf die Verhinderung der Behinderungszunahme dargestellt. Die Studienergebnisse werden zusammengefasst dargestellt. Männchen mit Gehstock werden für Zunahme der Behinderung eingesetzt. Männchen mit Händen auf dem Rücken stehen für Stabilität. Die Werte erscheinen auf 100 Patienten bezogen. Dargestellt werden:

1. Patienten, die trotz eines Medikaments eine Zunahme der Behinderung erfahren,

2. Patienten, die durch das Medikament bedingt keine Zunahme der Behinderung erfahren,

3. Patienten, die auch ohne Medikament keine Zunahme der Behinderung erfahren hätten.

                

Für die obige Grafik heißt dieses, dass auf 100 Patienten gerechnet:

  • 14 Patienten trotz Fumarat-Therapie eine Zunahme der Behinderung hatten,
  • 8 Patienten bedingt durch die Therapie keine Zunahme der Behinderung hatten,
  • 78 Patienten unabhängig von der Therapie keine Zunahme der Behinderung hatten.

In einer anderen Darstellungsweise können die unterschiedlichen Therapiegruppen einer Studie getrennt darstellt werden.

Im Folgenden wird dargestellt, wie das für die obige Studie aussehen würde. Für die Patienten der Studie, die mit Placebo behandelt wurden, sähe die Darstellung so aus:

          

Für die Patienten, die mit Fumarat behandelt werden, sähe dann die Darstellung so aus:

         

Statt 22 Patienten haben jetzt nur 14 Patienten eine Zunahme der Behinderung oder anders gesagt: statt 78 Patienten bleiben nun 86 Patienten stabil.

Wenn nun dargestellt werden soll, wie viele Patienten einen Nutzen durch die Therapie haben, muss berechnet werden, wie viele Patienten zusätzlich zur Behandlung mit Placebo stabil bleiben. Oder anders gesagt, wie viele Patienten weniger eine Zunahme der Behinderung haben.

So entsteht die von uns eingesetzte zusammenfassende Grafik:

                       


Darstellung des Nutzens auf die Schubfreiheit

Männchen mit "hängendem" Kopf werden für das Auftreten von Schüben genutzt. So entstehen die Grafiken, die den Effekt auf Schübe darstellen. Ein Beispiel dazu: