Welche Nebenwirkungen hat Ocrelizumab bei primär progredienter MS?

Bei wie vielen Patienten traten Nebenwirkungen auf?
In der ORATORIO-Studie[6] hatten 95% der Patienten, die Ocrelizumab einnahmen, Nebenwirkungen. In der Placebo-Gruppe traten bei 90% der Patienten Nebenwirkungen auf. Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant, das heißt, er kann auch auf Zufall beruhen.

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die ein neues Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo.

Bei wie vielen Patienten führten die Nebenwirkungen zum Therapieabbruch?
In der Ocrelizumab-Gruppe brachen 4% der Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab, in der Placebo-Gruppe waren es 3%. Auch dieser Unterschied war nicht signifikant.

Häufige Nebenwirkungen
In der Tabelle sind Nebenwirkungen aufgeführt, die aus der Zulassungsstudie ORATORIO berichtet wurden und bei mindestens 2% der Patienten auftraten. Angegeben ist die Patientenzahl von 100 Patienten. In der Grafik zu Anfang des Kapitels sowie in der Faktenbox weiter unten werden jedoch lediglich die wichtigsten Nebenwirkungen dargestellt.

* Bei diesen Nebenwirkungen war der Unterschied zwischen der Ocrelizumab- und der Placebogruppe statistisch nicht signifikant. 

Laborwertveränderungen
Bei den Laborwerten sind nur Veränderungen bei den weißen Blutzellen (Lymphozyten) berichtet. Hier ist innerhalb von 2 Wochen nach Therapie eine bestimmte Untergruppe der B-Lymphozyten nicht mehr nachweisbar. Der Effekt hielt während der Therapie bis zum Studienende an.

Infusionsreaktionen
Infusionsreaktionen traten unter Ocrelizumab häufiger auf als unter Placebo. Dies waren z.B. Juckreiz, Ausschlag, Hautreizung, Kopfschmerz, Müdigkeit, Schwindel, Luftnot, Übelkeit, Herzrasen. Es traten keine lebensbedrohlichen oder tödlichen Infusionsreaktionen auf, die Reaktionen waren überwiegend leicht bis moderat.

Am häufigsten zeigten sich Infusionsreaktionen bei der ersten Ocrelizumab-Gabe, bei weiteren Ocrelizumab-Gaben traten Infusionsreaktionen seltener auf und waren weniger schwer.

Infektionen
Atemwegsinfekte
traten unter Ocrelizumab häufiger auf, mit einem Unterschied von 6%.

Ebenfalls kam es bei Patienten der Ocrelizumab-Gruppe mit 2% häufiger zu Lippen-Herpes im Bereich des Mundes als bei Patienten der Placebo-Gruppe mit weniger als 1%. Insgesamt traten Herpes-Infektionen bei Einnahme von Ocrelizumab nicht vermehrt auf.

Auch schwere Infektionen traten mit Ocrelizumab nicht häufiger auf als bei Einnahme von Placebo.

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Schwere Nebenwirkungen (schwere Infektionen, schwere Infusionsreaktionen, Krebs) kamen unter Ocrelizumab nicht statistisch gehäuft vor. In der Placebo-Gruppe kam es bei 22 von 100 Patienten zu schweren Nebenwirkungen, in der Ocrelizumab-Gruppe bei 20 von 100 Patienten.

Während der Studie traten 5 Todesfälle auf, einer davon in der Placebo-Gruppe, 4 in der Ocrelizumab-Gruppe. Die Ursachen waren in der Placebo-Gruppe: Verkehrsunfall, in der Ocrelizumab-Gruppe 1 Lungenembolie, 2 Lungenentzündungen, 1 Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Krebserkrankungen
Während der Studie traten bei 11 Patienten, die Ocrelizumab erhielten, bösartige Tumoren auf und nur bei 2 Patienten mit Placebo.

Bei Ocrelizumab waren dies 4x Brustkrebs, 3x Hautkrebs, 1x Lymphdrüsenkrebs, 1x Gebärmutterkrebs, 1x Sarkom, 1x Bauchspeicheldrüsenkrebs. In der Placebo-Gruppe waren dies 1x Brustkrebs und 1x Gebärmutterhalskrebs. Dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant. Dennoch ist zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Krebsrisiko erhöhen können. Dies kann aber nur in Langzeitdatensammlungen geklärt werden.

Nach Abschluss aller 3 Ocrelizumab-Studien (siehe dazu auch im Kapitel 7.3. "Therapie der schubförmigen MS - Ocrelizumab") wurden 6 weitere Fälle von Hautkrebs unter Ocrelizumab berichtet.

Welche neuen Nebenwirkungen wurden nach Abschluss der Zulassungsstudien berichtet?
Bei sechs Patienten, die mit anderen Immuntherapien vorbehandelt wurden, wurde eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) festgestellt (Stand: September 2018). Diese Patienten hatten teilweise schubförmige aber auch sekundär und primär progrediente MS-Verläufe. Die wissenschaftliche und behördliche Einschätzung ist hier, dass alle Patienten schon vor der Ocrelizumab-Gabe eine PML unter Natalizumab (5 Fälle) oder Fingolimod (1 Fall) entwickelt hatten.