Wichtige Studiendesigns

Randomisiert-kontrollierte Studie (RCT)

Die Abkürzung „RCT“ leitet sich von dem englischen Begriff „randomized controlled trial“ ab. Eine randomsiert-kontrollierte Studie ist ein experimentelles Studiendesign. Randomisiert-kontrollierte Studien sind unerlässlich, um Aussagen über die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen verschiedener Behandlungsarten machen zu können. Kontrolliert bedeutet hier, dass zusätzlich zu der Gruppe, die das Studienmedikament erhält, eine vergleichbare „Kontrollgruppe“ ein anderes Medikament – oft ein Scheinmedikament, also „Placebo“ – bekommt. Randomisiert bedeutet, dass die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer behandelten Gruppe (Therapiegruppe) oder einer nicht behandelten Gruppe (Kontrollgruppe oder Placebogruppe) zugeordnet werden. Dadurch werden zwei vergleichbare Gruppen gebildet, die sich nur durch die Behandlung (z.B. Medikament) unterscheiden. Wichtig ist, dass diese Studien möglichst verblindet durchgeführt werden. Die doppelte Verblindung bedeutet, dass sowohl Ärzte als auch Patienten nicht wissen, wer das zu prüfende Medikament erhält und wer das Placebo.
 
Intention-to-treat-Analyse

Ein Studienergebnis kann durch die Auswahl der untersuchten Patienten erheblich verfälscht werden, vor allem durch das Fehlen der Ergebnisse jener Patienten, die vorzeitig eine Studie abgebrochen haben. Zur Auswertung wird heutzutage deshalb eine so genannte „Intention-to-treat“ (ITT)-Analyse gefordert. Studienteilnehmer, die eine Behandlung abbrechen, werden später mit in die Bewertung einbezogen, als ob sie die Therapie bis zum Schluss durchgehalten hätten. Mit diesem Vorgehen will man sicherstellen, dass Therapieeffekte nicht überschätzt werden.

Metaanalyse/ Übersichtsarbeit

Eine Metaanalyse fasst die Ergebnisse mehrerer Studien mit mathematisch-statistischen Methoden zusammen. Hierbei sollte es sich idealerweise um vergleichbare Studien handeln. Die Metaanalyse zählt zu der Sekundärforschung.

Kohortenstudien/ Prognosestudien

Durch Prognosestudien wird u.a. der Verlauf einer Erkrankung ohne Therapie (natürlicher Verlauf) und auch unter einer bestimmten Behandlung untersucht.[3] Da MS eine chronische Erkrankung ist und oftmals erst nach Jahrzehnten zu bleibenden Beeinträchtigungen führt, müssen Betroffene über lange Zeit beobachtet werden, um Aussagen über die Entwicklung der Erkrankung machen zu können. Es gibt nur wenige Prognosestudien, welche alle MS-Betroffenen einer Region eingeschlossen haben (streng populationsbasiert). Durch Veränderungen in der Stellung der Diagnose der MS und auch der vorhandenen Therapiemöglichkeiten müssen die Ergebnisse älterer Prognosestudien mit Vorsicht betrachtet werden.

Was heißt populationsbasiert?

Eine Prognosestudie erfolgt am besten populationsbasiert, das heißt, man versucht alles, um alle Patienten (die „Population“) einer bestimmten Region zu erfassen. Das ist insofern wichtig, als das die Einschätzung sonst verzerrt ist, wenn nur besonders schwer betroffene Patienten beobachtet werden. Diese Gefahr besteht z.B. in MS-Schwerpunktzentren, wo viele Patienten mit ungünstigen Verläufen behandelt werden. Auf diese Weise kann die Erkrankung schlimmer erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist. Hier spricht man von einer zentrumsbasierten Studie.

Wie lang muss eine Prognosestudie sein?

Eine Prognosestudie bei MS muss, um wirklich sicher Beeinträchtigungen erfassen zu können, über einen längeren Zeitraum laufen, also möglichst mindestens über 10 Jahre. Solche Studien sind daher teuer und aufwändig.

Was sind mögliche Zielparameter /Endpunkte für Prognosestudien?

Wichtig für eine Prognosestudie sind im Allgemeinen gut zu erhebende Zielparameter bzw. Endpunkte, wie z.B. der Tod durch die Erkrankung („Mortalität“). Da der Tod durch MS eine Seltenheit ist, hat man hier in den großen Prognosestudien Meilensteine in der Beeinträchtigung analysiert. Die Beeinträchtigung von MS-Patienten wird mit einer neurologischen Skala gemessen, der „Expanded- Disability-Status-Scale“ (EDSS) nach Kurtzke[4] auf Deutsch „Erweiterte Beeinträchtigungsskala“. Die Einordnung in dieser Skala erfolgt durch eine neurologische Untersuchung. Hier steht die Beeinträchtigung des Gehens sehr im Vordergrund.

Die EDSS-Skala

Die EDSS reicht von 0 = „keine Beschwerden“ in Schritten von 0,5 bis hin zu 10 = „Tod durch MS“. Natürlich kann man die vielen sehr unterschiedlichen Arten von MS-typischen Beeinträchtigungen nicht wirklich mit einer einzigen Skala darstellen.

Anders ausgedrückt: Es ist sehr schwierig, einen Betroffenen mit seinen ganz persönlichen Beeinträchtigungen einzuordnen oder mit anderen Betroffenen bezüglich des Schweregrades zu vergleichen. Um es doch zu versuchen, misst die Skala auf unterschiedlichen Abschnitten unterschiedliche Beeinträchtigungen. Von „0“ bis „3,5“ wird der EDSS-Wert im Rahmen einer neurologischen Untersuchung bestimmt. Von „4“ bis „7“ beruht der Wert auf der maximalen Gehstrecke. Bei den Werten über „7“ entscheidet das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit. Damit sind die Abstände zwischen den Zahlenwerten je nach Bereich der Skala sehr unterschiedlich. So ist z.B. der Sprung von 6,0 bis 6,5 viel größer als von 1 auf 1,5.

 

Meilensteine der Beeinträchtigung

Üblicherweise werden bei der Betrachtung des MS-Verlaufs v.a. drei wichtige Beeinträchtigungswerte („Meilensteine“) betrachtet. Im Vordergrund steht bei den Meilensteinen die Beeinträchtigung des Gehvermögens. Dies sind die Gehstrecke bis zu 500m (EDSS 4,0), bis 100m (EDSS 6,0) und bis 5m (EDSS 7,0). Andere Beeinträchtigungen, wie z.B. Sehstörungen oder Hirnleistungsstörungen sind kaum über lange Zeit untersucht worden.

Unsicherheit der Krankheitsdauer – Beginn der MS

Das Alter zu Beginn der MS wird oft als prognostischer Faktor untersucht. Oft ist jedoch der Erkrankungsbeginn nicht genau feststellbar. Denn häufig gehen der Diagnosestellung kleinere Ereignisse voraus, die Schübe gewesen sein könnten. Diese sind möglicherweise Jahre vor der Diagnosestellung aufgetreten, und nicht selten liegen keine medizinischen Aufzeichnungen darüber vor.

Diagnostische Tests

Diagnosestudien werden durchgeführt, um die Güte von diagnostischen Tests zu überprüfen (siehe auch 2.4 und 2.5).

Diagnostische Tests helfen eine Diagnose zu stellen. Diagnostische Tests können sehr unterschiedliche Dinge sein: z.B. Informationen aus einem Gespräch mit dem Arzt, Untersuchungsergebnisse aus dem Blut oder dem Nervenwasser, Kernspinbilder oder Nervenmessungen. Je besser eine Erkrankung verstanden ist, desto eindeutiger sind die Testergebnisse. So lässt sich zum Beispiel ein Beinbruch meist sehr schnell schon durch die körperliche Untersuchung, spätestens durch ein Röntgenbild feststellen.