Ocrelizumab (Ocrevus®)

Ocrelizumab (Ocrevus®) wird halbjährlich als Infusion über eine Vene (intravenös) verabreicht. Ocrelizumab ist für Patienten mit schubförmiger und aktiver primär progredienter MS zugelassen. Bei einem Teil der Patienten reduziert es die Häufigkeit von Schüben und hält die Zunahme der Behinderung auf. Dass Ocrelizumab so selten verabreicht werden muss, liegt daran, dass das Medikament das Immunsystem langfristig beeinflusst. 

Die wichtigsten Nebenwirkungen sind: Infusionsreaktionen und Infektionen.


Wirkungen & Nebenwirkungen im grafischen Ãœberblick

Schubfreie Patienten



         

Patienten ohne Zunahme der Behinderung



           

Nebenwirkungen

Was ist Ocrelizumab?

Ocrelizumab ist ein gentechnisch hergestellter, humanisierter Antikörper. „Humanisiert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der ursprünglich von der Maus stammende Antikörper so verändert wurde, dass er größtenteils menschlich ist. Ocrelizumab entfernt bestimmte weiße Blutkörperchen (Leukozyten, speziell B-Lymphozyten) aus dem Blut und Organen. Ocrelizumab ist eine Weiterentwicklung von Rituximab.


Wie wirkt Ocrelizumab?

Ocrelizumab richtet sich gezielt gegen bestimmte Immunzellen, die B-Lymphozyten, die ein Molekül namens CD-20 auf ihrer Außenhülle tragen. Es wird vermutet, dass diese Immunzellen bei MS maßgeblich an der Schädigung der Myelinscheiden und Nervenzellfortsätze sowie der daraus entstehenden Behinderung beteiligt sind. Ein Teil dieser Abwehrzellen wird durch Ocrelizumab zerstört. Dieser Effekt der Verminderung von B-Lymphozyten hält über viele Monate an.



Für wen ist Ocrelizumab zugelassen?

Ocrelizumab ist zum einen für „Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung“ zugelassen.

Des Weiteren besteht die Zulassung „zur Behandlung erwachsener Patienten mit primär progredienter MS, charakterisiert anhand der Krankheitsdauer und dem Grad der Behinderung sowie Bildgebungsmerkmalen, die typisch für Entzündungsaktivität sind.“ Weitere Informationen zu Ocrelizumab bei primär progredienter MS finden Sie im Kapitel 7.5. "Therapie der primären chronisch-progredienten MS". 
Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) hat diese breite Zulassung in seinen Therapieempfehlungen kritisch kommentiert und empfohlen, Ocrelizumab im Wesentlichen nach den Einschlusskriterien der Therapiestudien zu geben. Bei höherem Lebensalter (größer 55 Jahre), längerer Krankheitsdauer (mehr als 15 Jahre) oder einem höheren EDSS (höher als 6,5, entsprechend 100m Gehstrecke mit Hilfe) muss eine strenge Nutzen-Risiko Abwägung vorgenommen werden.



Wie wird Ocrelizumab verabreicht?

Ocrelizumab wird als Infusion über eine Vene (intravenös) verabreicht. Die erste Dosis Ocrelizumab (600 mg) wird auf zwei Gaben verteilt. Es werden jeweils 300 mg im Abstand von 14 Tagen verabreicht. Danach erfolgt alle sechs Monate eine Infusion von 600 mg Ocrelizumab .

Direkt vor dem Beginn jeder Ocrelizumab-Infusion wird 100 mg Kortison (Wirkstoff: Methylprednisolon) verabreicht. Das reduziert das Risiko von möglichen Infusionsreaktionen wie Juckreiz oder Ausschlag gegenüber Ocrelizumab. Aus dem gleichen Grund wird meist ein Antiallergikum (bspw. 2mg Clemastin) gegen mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen gegeben. Zur Vorbeugung von Fieber und ähnlichen Beschwerden können darüber hinaus 1000mg Paracetamol oder 800mg Ibuprofen verabreicht werden. Alle drei Medikamente erfolgen als Kurzinfusion über die Vene.

Die Verabreichung der Vormedikamente sollte etwa eine Stunde vor Ocrelizumab-Gabe begonnen werden, die anschließende Ocrelizumab-Infusion dauert etwa drei Stunden. Im Anschluss soll eine Nachbeobachtung von einer Stunde erfolgen, so dass insgesamt ca. 5 Stunden Ãœberwachung in der Praxis oder im MS-Zentrum nötig sind.

Hier sehen Sie ein Foto der Medikamentenpackung (links) sowie des Infusionsfläschchens (rechts) von Ocrevus®: 

Bildquelle: https://pharmaphorum.com/news/roche-unveils-long-term-data-from-ms-blockbuster-ocrevus/

Wie wirksam ist Ocrelizumab bei schubförmiger MS?

Im Folgenden werden die Ergebnisse einer zusammenfassenden Analyse[91] (Metaanalyse) der beiden Zulassungsstudien OPERA-1 und OPERA-2 dar.

1. Wirkung auf die Schubfreiheit
Die Grafik am Kapitelanfang zeigt, wie viele Patienten nach zwei Jahren Therapie mit Ocrelizumab oder Einnahme von Interferon-beta 1a noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.

Hier wird die Anzahl der Patienten mit Schüben beschrieben. Um Studienergebnisse mit unterschiedlichen Teilnahmerzahlen besser vergleichen zu können, werden die Ergebnisse bezogen auf 100 Patienten dargestellt.

  • 80 von 100 Patienten haben einen Nutzen von der Therapie. (Keinen Schub durch die Therapie)
  • 20 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, da sie trotz der Einnahme von Ocrelizumab einen Schub hatten.
  • 67 von 100 Patienten profitieren nicht, da sie auch ohne Ocrelizumab schubfrei geblieben sind.

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl von Patienten mit Schüben in der Ocrelizumab-Gruppe (20) von denen in der Interferon-Gruppe (33) abzieht. Tatsächlich profitieren 33 – 20, also 13 Patienten von der Therapie. Das entspricht dem absoluten Nutzen (oder auch der absoluten Risikoreduktion).

2. Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr
Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. Sie lag in der Interferon-Gruppe bei 0,29 Schüben gegenüber 0,16 in der Ocrelizumab-Gruppe. Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Interferon-Gruppe haben im Durchschnitt alle 3,5 Jahre einen Schub, die Patienten in der Ocrelizumab-Gruppe nur alle 7 Jahre.

3. Wirkung auf die Zunahme der Behinderung
Die Zunahme der Behinderung wurde in den OPERA-Studien mit Hilfe der EDSS gemessen, einer Behinderungsskala von 0 bis 10 (wobei 0 keiner Behinderung entspricht). Die folgende Grafik zeigt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Ocrelizumab oder Interferon-beta keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt ist wieder der absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).

Hier finden Sie auch einige Angaben zum Nutzen von Medikamenten bei anderen Erkrankungen, damit Sie einen Eindruck bekommen, wie groß die Therapieeffekte bei MS im Vergleich zu anderen Therapien sind.

Im Folgenden wird wieder die Entwicklung der Behinderung bezogen auf 100 Patienten beschrieben:

  • 89 von 100 Patienten haben durch die Einnahme von Ocrelizumab keine Zunahme der Behinderung
  • 11 von 100 Patienten haben trotz der Ocrelizumab-Therapie eine Zunahme der Behinderung
  • 82 von 100 Patienten profitieren nicht von der Therapie, sie haben unabhängig von der Therapie keine Zunahme der Behinderung.

Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit einer Behinderungszunahme in der Ocrelizumab-Gruppe (11) von denen in der Interferon-Gruppe (18) abzieht. Tatsächlich profitieren 18 – 11, also 7 Patienten von der Therapie. Das entspricht dem absoluten Nutzen (oder auch der absoluten Risikoreduktion).

4. Wirkung auf die MRT in zwei Jahren
In der MRT treten Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde auf, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.
Der Anteil von Patienten ohne neue oder vergrößerte T2-Herde lag in der Ocrelizumab-Gruppe bei 63% und in der Interferon-Gruppe bei 39%.
79% der Patienten in der Placebo-Gruppe und 96% in der Ocrelizumab-Gruppe hatten über die Studiendauer keine Herde mit Kontrastmittelanreicherungen.

Da Kontrastmittelanreicherungen nur eine Momentaufnahme sind, stellen wir nur die Entwicklung der T2-Herde im Querschnitt eines Gehirns grafisch dar. Dargestellt ist die Anzahl von 100 Patienten ohne bzw. mit neuen oder vergrößerten Herden.






Zulassunsgstudien

Die Wirkung von Ocrelizumab auf die Schubrate und die Zunahme der Beeinträchtigung wurde in zwei Zulassungsstudien (OPERA-1 und OPERA-2[91]) für Patienten mit schubförmiger MS geprüft. Die Ergebnisse wurden 2017 veröffentlicht. Es wurden 1656 Patienten mit schubförmiger MS über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. In OPERA-1 wurden 821 Patienten behandelt, in OPERA-2 waren es 835. In beiden OPERA-Studien wurde Ocrelizumab (600 mg) intravenös mit Interferon-beta 1a (Rebif®) subkutan (dreimal wöchentlich 44 μg Rebif) verglichen.

Teilnehmen konnten Patienten mit einer aktiven MS, gekennzeichnet durch das Auftreten von 2 Schüben in den 2 Jahren vor Studieneinschluss oder von einem Schub im Jahr vor Studieneinschluss. Die Patienten wurden zufällig einer der beiden Behandlungsgruppen zugeteilt, aber nicht informiert, welche Behandlung sie erhalten würden. Deshalb erhielten die Teilnehmer der Ocrelizumab-Gruppe zusätzlich zur Infusion dreimal wöchentlich Scheinmedikament-Injektionen, während die Teilnehmer der Interferon-Gruppe neben den Injektionen entsprechend ein Scheinmedikament als Infusion erhielten.

 

Welche Nebenwirkungen hat Ocrelizumab?

Bei wie vielen Patienten traten Nebenwirkungen auf?
In den beiden Zulassungsstudien[91] hatten 83% der Patienten sowohl der Interferon-Gruppe als auch der Ocrelizumab-Gruppe Nebenwirkungen.

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die ein neues Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo.

Bei wie vielen Patienten führten die Nebenwirkungen zum Therapieabbruch?
Bei 51 (6%) Patienten in der Interferon-Gruppe und bei 19 (3,5%) in der Ocrelizumab-Gruppe führten die Nebenwirkungen zum Abbruch der Behandlung.

Häufige Nebenwirkungen
In der Tabelle sind Nebenwirkungen aufgeführt, die aus den Zulassungsstudien OPERA-1 und OPERA-2 berichtet wurden und bei mindestens 2% der Patienten auftraten. Angegeben ist die Patientenzahl von 100 Patienten. In der Grafik zu Anfang des Kapitels sowie in der Faktenbox weiter unten werden jedoch lediglich die wichtigsten Nebenwirkungen dargestellt.

Die blau-weiße Tabelle zeigt die Beschwerden, die in der Ocrelizumab-Gruppe häufiger auftraten als in der Interferon-Gruppe. Darunter zeigt die grün-weiße Tabelle die Beschwerden, die in der Interferon-Gruppe häufiger auftraten als in der Ocrelizumab-Gruppe.




*Bei diesen Nebenwirkungen war der Unterschied zwischen der Ocrelizumab- und der Interferon-Gruppe nicht signifikant.

Wie Sie der grün-weißen Tabelle entnehmen können, traten einige Nebenwirkungen häufiger bei der Einnahme von Interferon-beta 1a auf. Dazu gehörten Kopfschmerzen (bei 4/100), grippeähnliche Symptome (bei 17/100) und Rötung der Einstichstelle (bei 15/100). Detaillierte Angaben zu Nebenwirkungen bei Einnahme von Interferon finden Sie im Kapitel "Interferone".

Laborwertveränderungen
Bei den Laborwerten sind nur Veränderungen bei den weißen Blutzellen (Lymphozyten) berichtet. Hier ist innerhalb von 2 Wochen nach Therapie eine bestimmte Untergruppe der B-Lymphozyten nicht mehr nachweisbar. Der Effekt hielt unter der Therapie bis zum Studienende an (siehe weiter oben im Kapitel „Wie wirkt Ocrelizumab?“).

Infusionsreaktionen
Infusionsreaktionen traten bei Ocrelizumab häufiger auf. Dies waren z.B. Juckreiz, Ausschlag, Hautreizung, Kopfschmerz, Müdigkeit, Schwindel, Luftnot, Übelkeit, Herzrasen. Es traten keine tödlichen Infusionsreaktionen auf, die Reaktionen waren überwiegend leicht bis moderat. Bei einem Patienten der Ocrelizumab-Gruppe kam es zu einem lebensbedrohlichen Verkrampfen der Bronchien (Bronchospasmus), der behandelt werden musste.

Am häufigsten traten Infusionsreaktionen bei der ersten Ocrelizumab-Gabe auf, bei weiteren Ocrelizumab-Gaben traten Infusionsreaktionen seltener auf und waren weniger schwer.

Infektionen
Insgesamt traten Infektionen etwas häufiger bei Einnahme von Ocrelizumab auf. Dies waren vor allem Erkältungen und andere Infektionen der oberen Atemwege.

Bei 6% Patienten der Ocrelizumab-Gruppe und bei 3% der Patienten der Interferon-Gruppe traten Infektionen durch Herpes-Viren auf (z.B. Herpes Zoster, „Gürtelrose“ oder Herpes Simplex, d.h. Herpes im Bereich des Mundes, „Lippenherpes“). Die Herpes-Infektionen verliefen in den meisten Fällen leicht oder moderat (mäßig schwer).

Folgende seltene Infektionen wurden darüber hinaus berichtet: Ein Patient mit Ocrelizumab musste aufgrund einer Herpes-Infektion im Genitalbereich im Krankenhaus behandelt werden. Schwere Infektionen unter Ocrelizumab waren: 3x Blinddarmentzündung, 2x Entzündungen des Hautfettgewebes, 2x Nierenbeckenentzündung, Sepsis (Blutvergiftung), 1x Herpes simplex, 1x Lungenentzündung (Pneumonie) und eine schwere obere Atemwegsentzündung.

Unter Interferon-beta 1a kam es zu 3 Blinddarmentzündungen, 2x Abszess, 2x Zellulitis an der Injektionsstelle, 2x Lungenentzündung, 2x Blasenentzündung und verschiedene andere Infekte in Einzelfällen.

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Schwere Nebenwirkungen, z.B. schwere Infektionen, lebensbedrohliche Infusionsreaktionen, kamen bei Einnahme von Ocrelizumab nicht gehäuft vor. In der Interferon-Gruppe kam es bei 9 von 100 Patienten zu schweren Nebenwirkungen, in der Ocrelizumab-Gruppe bei 7 von 100 Patienten. Dies waren unter Interferon-beta 1a bei 3 von 100 und unter Ocrelizumab bei 1 von 100 Fällen Infektionen.

Während der Studie traten 3 Todesfälle auf, 2 davon in der Interferon-Gruppe, 1 in der Ocrelizumab-Gruppe. Die Ursachen waren in der Interferon-Gruppe ein Darmverschluss und ein Suizid, in der Ocrelizumab-Gruppe ein Suizid.

Krebserkrankungen
Während der Studie traten bei 4 Patienten, die Ocrelizumab erhielten, bösartige Tumoren auf: 2x Brustkrebs, 1x Nierenkrebs, 1x Hautkrebs.

In der Interferon-Gruppe traten bei 2 Patienten bösartige Tumoren auf: 1x Lymphdrüsenkrebs und 1x Plattenepithelkrebs im Bereich der Brust.

Dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant. Das heißt, dass unter Ocrelizumab Krebserkrankungen nicht sicher gehäuft auftraten. Dennoch ist zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Krebsrisiko erhöhen können. Dies kann aber nur in Langzeitdatensammlungen geklärt werden.

Welche neuen Nebenwirkungen bei schubförmiger MS wurden nach Abschluss der Zulassungsstudien berichtet?
Bei sechs Patienten, die mit anderen Immuntherapien vorbehandelt wurden, wurde eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) festgestellt (Stand: September 2018). Diese Patienten hatten teilweise schubförmige, aber auch sekundär und primär progrediente MS-Verläufe. Die wissenschaftliche und behördliche Einschätzung ist hier, dass alle Patienten schon vor der Ocrelizumab-Gabe eine PML unter Natalizumab (5 Fälle) oder Fingolimod (1 Fall) entwickelt hatten, diese also nicht Ocrelizumab zugeschrieben werden kann.

 

Worauf muss bei der Therapie mit Ocrelizumab geachtet werden?

Unter welchen Umständen sollte Ocrelizumab nicht eingenommen werden?
Ocrelizumab sollte nicht eingenommen werden

  • bei schweren Infektionen z.B. Tuberkulose, Hepatitis oder HIV
  • bei geschwächtem Immunsystem, oder wenn derzeit oder kürzlich Medikamente, die das Immunsystem schwächen, eingenommen werden bzw. wurden
  • wenn innerhalb von 6 Wochen eine Impfung geplant ist oder eine Impfung durchgeführt wurde
  • während der Schwangerschaft und Stillzeit
  • bei Bestehen einer Krebserkrankung

Worauf ist bei Therapiebeginn zu achten?
Weil Ocrelizumab das Immunsystem hemmt, sollten vor Therapiebeginn alle Standardimpfungen durchgeführt werden, die die STIKO (Ständige Impfkommission) für Menschen empfiehlt, deren Immunsystem teilweise blockiert werden soll.

Falls der Antikörperschutz gegen Windpocken (VZV) im Blut nicht ausreicht, sollte vor Beginn der Therapie eine Impfung erfolgen. Die Therapie mit Ocrelizumab sollte erst nach erfolgreicher Impfung, frühestens nach 6 Wochen begonnen werden.

Bei Patienten, die bereits eine immunmodulierende oder –supprimierende Therapie erhalten haben, müssen in der Regel Sicherheitsabstände zwischen den Therapien eingehalten werden, die sich nach der Wirkdauer der Medikamente richten (siehe unten). Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z.B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich.

Welche Sicherheitsabstände müssen eingehalten werden?
Bei Patienten, die bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Die Wartezeit nach Empfehlungen des KKNMS beträgt nach der Behandlung mit...

  • Dimethylfumarat bis zur Normalisierung des Blutbildes
  • Teriflunomid ca. 4 Wochen (nach Auswaschen).
  • Fingolimod mindestens 4 Wochen.
  • Natalizumab mindestens 6-8 Wochen.
  • Azathioprin, Ciclosporin A, Cyclophosphamid, Methotrexat und Mitoxantron mindestens 3 Monate.
  • Cladribin mindestens 6 Monate.
  • Alemtuzumab mindestens 6-12 Monate.
  • Rituximab 6 Monate.

Bei der vorherigen Verwendung von Beta-Interferonen oder Glatirameracetat müssen, solange sich etwaige Blutbildveränderungen normalisiert haben, keine Sicherheitsabstände eingehalten werden.

Was muss während der Therapie kontrolliert werden?
Das KKNMS empfiehlt:

Ocrelizumab - Häufig gestellte Fragen

Wirkt Ocrelizumab besser oder schlechter als andere MS-Medikamente?
Die beiden OPERA-Zulassungsstudien[91] zeigen, dass Ocrelizumab gegenüber Interferon-beta 1a überlegen ist. Dies gilt vor allem für das Auftreten von Schüben und Reduktion von Aktivität in der MRT.

Wie lange wird behandelt?
Ocrelizumab wird, genau wie andere immunmodulierende Therapien der MS, als Dauertherapie eingesetzt. Nutzen und Risiko der Einnahme müssen laufend überprüft werden. Ein Abschätzen des Nutzens ist oft frühestens nach einem Jahr möglich. Als Hinweise für eine Wirksamkeit werden bei schubförmiger MS Schubfreiheit und das Fehlen neuer Herde in der MRT angesehen. Deshalb empfiehlt das KKNMS eine Ausgangs-MRT des Kopfes und eine MRT nach 6, 12 und 24 Monaten, um Nutzen und auch mögliche Risiken abzuschätzen.

Schwangerschaft und Stillzeit
Ocrelizumab sollte in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewandt werden.

Verlauf von Schwangerschaften in der Zulassungsstudie
In keiner der drei Veröffentlichungen der Zulassungsstudien wurde über Schwangerschaften und deren Verlauf bei Einnahme von Ocrelizumab berichtet. In Sicherheitsanalysen wurde im Herbst 2017 von 25 Schwangerschaften unter Ocrelizumab aus den OPERA-Studien berichtet. Hinweise auf Aborte oder angeborene Fehlbildungen fanden sich nicht.

Impfungen
Patienten, die keinen Schutz gegenüber dem Varicella-Zoster-Virus (VZV) haben, das Windpocken bzw. Gürtelrose auslöst, sollten vor Behandlungsbeginn gegen VZV geimpft werden. Es handelt sich hier um einen Lebendimpfstoff. Ob ein Schutz besteht, kann mit einer Blutuntersuchung (Messung des VZV-Antikörper-Titers) bestimmt werden. Damit die Impfung ihre Wirkung entfalten kann, darf die erste Gabe von Ocrelizumab frühestens sechs Wochen danach erfolgen.

Untersuchungen zu Impfungen und Ocrelizumab zeigen, dass der Impferfolg unter der vollen Wirkung von Ocrelizumab vermindert, aber vermutlich dennoch ausreichend wirksam ist. Insofern sollten alle von der STIKO für Patienten unter einer das Immunsystem unterdrückenden Therapie empfohlenen Impfungen einschließlich Pneumokokken vor Therapiebeginn durchgeführt bzw. aufgefrischt werden. Alle Lebendimpfstoffe sollten unter laufender Ocrelizumab-Therapie vermieden werden, da Patienten möglicherweise keine ausreichende Abwehr haben und durch die eigentlich harmlosen Impferreger krank werden könnten.

Verhalten bei Infektionen
Ocrelizumab sollte nicht bei einem schweren, fieberhaften Infekt gegeben werden.

Welche Alternativen bestehen zu Ocrelizumab?
Ocrelizumab ist bei schubförmiger MS eine von verschiedenen zugelassenen MS-Therapien. Eine Übersicht finden Sie zu Anfang des Kapitels. Systematische Vergleichsstudien mit anderen MS-Medikamenten als Interferone (Rebif) wurden bislang nicht durchgeführt. Eine weitere Möglichkeit ist auch, keine Immuntherapie durchzuführen. Ohne Therapie folgt die MS dem natürlichen Verlauf, der bekanntermaßen nicht vorherzusehen ist.

 

Ocrelizumab - Alles auf einen Blick