Ocrelizumab ist ein gentechnisch hergestellter, humanisierter Antikörper. „Humanisiert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der ursprünglich von der Maus stammende Antikörper so verändert wurde, dass er größtenteils menschlich ist. Ocrelizumab entfernt bestimmte weiße Blutkörperchen (Leukozyten, speziell B-Lymphozyten) aus dem Blut und Organen. Ocrelizumab ist eine Weiterentwicklung von Rituximab.
Wie wirkt Ocrelizumab?
Ocrelizumab richtet sich gezielt gegen bestimmte Immunzellen, die B-Lymphozyten, die ein Molekül namens CD-20 auf ihrer Außenhülle tragen. Es wird vermutet, dass diese Immunzellen bei MS maßgeblich an der Schädigung der Myelinscheiden und Nervenzellfortsätze sowie der daraus entstehenden Behinderung beteiligt sind. Ein Teil dieser Abwehrzellen wird durch Ocrelizumab zerstört. Dieser Effekt der Verminderung von B-Lymphozyten hält über viele Monate an.
Für wen ist Ocrelizumab zugelassen?
Ocrelizumab ist zum einen für „Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung“ zugelassen.
Des Weiteren besteht die Zulassung „zur Behandlung erwachsener Patienten mit primär progredienter MS, charakterisiert anhand der Krankheitsdauer und dem Grad der Behinderung sowie Bildgebungsmerkmalen, die typisch für Entzündungsaktivität sind.“
Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) hat diese breite Zulassung in seinen Therapieempfehlungen kritisch kommentiert und empfohlen, Ocrelizumab im Wesentlichen nach den Einschlusskriterien der Therapiestudien zu geben. Bei höherem Lebensalter (über 55 Jahre), längerer Krankheitsdauer (mehr als 15 Jahre) oder einem höheren EDSS (höher als 6,5, entsprechend 100m Gehstrecke mit Hilfe) muss eine strenge Nutzen-Risiko Abwägung vorgenommen werden.
Wie wird Ocrelizumab verabreicht?
Ocrelizumab wird als Infusion über eine Vene (intravenös) verabreicht. Die erste Dosis Ocrelizumab (600 mg) wird auf zwei Gaben verteilt. Es werden jeweils 300 mg im Abstand von 14 Tagen verabreicht. Danach erfolgt alle sechs Monate eine Infusion von 600 mg Ocrelizumab .
Direkt vor dem Beginn jeder Ocrelizumab-Infusion wird 100 mg Kortison (Wirkstoff: Methylprednisolon) verabreicht. Das reduziert das Risiko von möglichen Infusionsreaktionen wie Juckreiz oder Ausschlag gegenüber Ocrelizumab. Aus dem gleichen Grund wird meist ein Antiallergikum (bspw. 2mg Clemastin) gegen mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen gegeben. Zur Vorbeugung von Fieber und ähnlichen Beschwerden können darüber hinaus 1000mg Paracetamol oder 800mg Ibuprofen verabreicht werden. Alle drei Medikamente erfolgen als Kurzinfusion über die Vene.
Die Verabreichung der Vormedikamente sollte etwa eine Stunde vor Ocrelizumab-Gabe begonnen werden, die anschließende Ocrelizumab-Infusion dauert etwa drei Stunden. Im Anschluss soll eine Nachbeobachtung von einer Stunde erfolgen, so dass insgesamt ca. 5 Stunden Überwachung in der Praxis oder im MS-Zentrum nötig sind.
Hier sehen Sie ein Foto der Medikamentenpackung (links) sowie des Infusionsfläschchens (rechts) von Ocrevus®:
Bildquelle: Pharmaphorum