Nebenwirkungen werden oft sehr unsystematisch beschrieben. Dabei müssen verschiedene Erfassungsprobleme gelöst werden:
- Zum einen treten zeitnah zur Medikamentengabe Nebenwirkungen auf. Der ursächliche Zusammenhang zum Medikament ist dabei nicht immer klar. Auch unter Scheinmedikamenten treten oft gleiche Nebenwirkungen auf. Ein sicherer Zusammenhang zum Medikament ist nur gegeben, wenn die Nebenwirkung statistisch geprüft häufiger unter dem Medikament als unter Plazebo auftritt.
- Nebenwirkungen können sich bei einer dauerhaften Gabe über die Zeit erheblich verändern. Es liegen oft keine systematischen Studiendaten zur Auswirkung von Nebenwirkungen über längere Zeiträume als zwei Jahre vor. Hier gibt es keine Plazebogruppe mehr, so dass die Abschätzung des Zusammenhangs der Nebenwirkung mit dem Medikament aus den allgemein bekannten Häufigkeiten bestimmter Beschwerden und Erkrankungen in der Bevölkerung erfolgt. Bestenfalls liegen für die spezielle Bevölkerungsgruppe, die behandelt wird solche Daten vor (Bsp. MS, junge Frauen). Bei häufigeren Erkrankungen kann diese Zusammenhangsabschätzung schwer sein.
- Dann treten seltene Nebenwirkungen oft erst im Verlauf der Zulassung auf, wenn viele Patienten behandelt werden.
Die Häufigkeitsschätzung ist hier oft sehr ungenau, da die Berichterstattung sehr von der Schwere der Ereignisse, der Sicherheit des Zusammenhangs und der Motivation der behandelnden Ärzte abhängt, dies zu tun sowie von einer Firma oder der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, diese Daten schnell zugänglich zu machen. Je schwerer die Nebenwirkung und je eher diese klar auf das Medikament zurückzuführen sind, desto wahrscheinlicher ist die Erfassung.
In den letzten zwei Jahren haben sich zum Teil Initiativen aus der Pharmaindustrie aber auch vom Kompetenznetz Multiple Sklerose gebildet, um ein anhaltendes Überwachungsprogramm neuer Immuntherapien bei MS zu etablieren.
Grundsätzlich gilt bei Therapiestudien, dass alle Ereignisse, die einem Patienten im Laufe einer Studie passieren, möglicherweise Nebenwirkungen sind. Dies führt dazu, dass es Unmengen an Daten gibt, die oft schwer zu bewerten sind.
Dabei muss immer betrachtet werden, welche Nebenwirkungen wirklich auf ein Medikament zurückzuführen sind und welche Nebenwirkungen auch bei Scheinmedikamenten (Placebos) auftauchen. Denn dem so genannten Plazeboeffekt steht auch ein so genannter "Nocebo"-Effekt gegenüber: auch Scheinmedikamente machen Nebenwirkungen.
In den "Beipackzetteln" von Medikamenten stehen oft alle Ereignisse, die in Studien berichtet wurden und nicht nur die statistisch bedeutsamen. Dies führt dazu, dass der Leser von einer Fülle manchmal sehr ungewöhnlicher Nebenwirkungen überrollt wird, bei denen unklar ist, ob ein Zusammenhang mit dem Medikament besteht.
Um einen „Placeboeffekt“ auszuschließen, wissen die Behandelnden und die Behandelten nicht, ob sie Kortison oder Placebo geben bzw. erhalten. Sie sind also dem Medikament gegenüber verblindet (wenn sowohl die Ärzte als auch die Patienten verblindet sind, spricht man auch von „Doppel-Verblindung“).
Beispielsweise bringt die Einnahme von Kortison zur Schubtherapie regelmäßige Nebenwirkungen mit sich, welche dazu führen könnten, dass ein großer Teil der Teilnehmer weiß, ob Kortison erhalten wird oder nicht.
Eine echte Verblindung scheint bei der Schubtherapie mit Kortison bzw. der Kortisontherapie also nur eingeschränkt möglich. Denkbar ist, dass es hierdurch zu einer Überschätzung positiver Therapieeffekte kommt. Dies gilt sowohl für die Betroffenen, als auch für die behandelnden Ärzte.