Gutartiger (benigner) Verlauf der MS

Bezüglich des benignen Verlaufs, untersuchte die größte Fallserie, 85% (169) der Betroffenen mit einem EDSS-Wert unter 3 - also ohne Einschränkung der Gehfähigkeit - nach 10 Jahren. Die Betroffenen stammen aus der British Columbia Kohorte. Nach 20 Jahren hatten 88 von 169 (52%) weiter einen EDSS-Wert unter 3, 27% hatten einen EDSS zwischen 3 und 6 und 21% einen EDSS-Wert über 6, also zumindest eine bedeutende Einschränkung der Gehfähigkeit.

Eine Übersichtsarbeit[18] versucht die Gruppen mit gutartiger MS aus den Prognosestudien zu beschreiben. Hier reicht die Häufigkeit benigner Verläufe von 6-64% bei einer Definition von einem EDSS-Wert unter 3 nach 10 Jahren Verlauf.

In einer irischen Studie[19] waren bei 33 Patienten mit benignem Verlauf weitere 10 Jahre später nur noch 30% mit einem EDSS-Wert unter 3.

In einer kleinen populationsbasierten Studie[20] in den USA in Olmsted County, Minnesota hatten 28 von 162 Patienten einer Gruppe von MS-Patienten einen EDSS-Wert unter 2 über mindestens 10 Jahre. Davon hatten 25 mindestens 10 Jahre später immer noch einen EDSS-Wert unter 3. Die Unterschiede lassen sich wahrscheinlich so erklären, dass in Dublin lediglich Patienten eines Universitätsklinikums untersucht wurden, also eine Gruppe, in der tendenziell Patienten mit schlechteren Verläufen dauerhaft zur Behandlung verbleiben, als bei einer Gruppe aller MS-Patienten einer Region.

Kürzlich konnte aus der sehr gut verfolgten Göteborg-Kohorte bei n=202 Patienten mit schubförmiger MS ermittelt werden, wie viele Patienten beim Lebensende (im Mittel nach 45 Jahren) ohne jede neurologische Beeinträchtigung waren. Bei diesem härtesten möglichem Kriterium für Gutartigkeit waren es 13 (5%) (Skoog 2012 Brain).

Derzeitig werden in der Wissenschaft verschiedene Definitionen für gutartige (benigne) Verläufe diskutiert. Definitionen beziehen sich auf eine lange Zeit mit geringer Beeinträchtigung im EDSS, so z.B. einem EDSS-Wert kleiner als 3, 5 nach 10, 15, 20 oder mehr Jahren. Etwa ein Drittel der MS-Erkrankungen verläuft möglicherweise gutartig.[18]

Jedoch kann diese Annahme nicht durch solide Daten bestätigt werden, da angenommen werden muss, dass gerade jene MS-Erkrankte nicht erkannt werden, die einen gutartigen Verlauf nehmen. Daraus folgt, dass diese Patienten auch in den statistischen Erhebungen unterrepräsentiert bleiben. Durch den routinemäßigen Einsatz des Kernspin in der allgemeinen neurologischen Diagnostik werden heut jedoch immer häufiger mögliche MS-Patienten erkannt, die oft beschwerdefrei sind.